Tomáš Klír: Differenzierung der Armut? Der mittelalterliche Bauernstand in schriftlichen und materiellen Überlieferungen
Zu einer der heftig diskutierten Fragen der mittelalterlichen Agrargeschichte gehört die Frage nach der Art und Weise der sozial-ökonomischen Differenzierung und materiellen Mobilität des Bauernstandes im ausgehenden Mittelalter. Wurden die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher, so wie es heute der Fall ist, oder war es genau andersherum? Damit eng zusammen hängt auch die Fragestellung, warum sich der Bauernstand meist wie eine geschlossene Gruppe ohne gravierende innere Konflikte verhielt und auch auf soziale und politische Impulse von außen fast überraschend einheitlich und monoton reagierte. Antworten auf solche Fragen zu finden, ist schon für moderne Zeiten oder für die Frühe Neuzeit eine sehr komplizierte Angelegenheit, und für das Mittelalter scheint es beinahe unmöglich. Der Vortrag versucht dennoch demografische und soziale Prinzipien der wirtschaftlichen Mobilität beim mittelalterlichen Bauernstand zu skizzieren und zwar auf der Grundlage einer aus europäischer Perspektive einzigartigen Quelle – der Landessteuerbücher der Choden. Die Aussage dieses Quellenmaterials wird mit den Ergebnissen aktueller archäologischer Ausgrabungen verschwundener mittelalterlicher Siedlungen in Böhmen verglichen und diskutiert.